Mein erster Marathon

30.11.2016

Hamburg - Sonntag, 17.04.2016 - der Tag der Tage.

Der Tag, auf den ich seit drei Monaten hingefiebert habe. Der Tag, auf den ich mich seit 12 Wochen gezielt nach Trainingsplan vorbereitet habe. Der Tag, auf den ich mich so gefreut, und vor dem ich gleichzeitig riesen Respekt hatte - mein erster Marathon.

Der Wecker klingelte um 5:30, gefrühstückt wurde pünktlich um 6:00 Uhr, drei Stunden vor dem Startschuss. Genauso wie ich es auch vor meinen langen Läufen gewohnt war, bloß keine Experimente am Marathontag.

Früh genug starteten wir vom Hotel zur Messehalle. Obwohl es nur wenige Stationen mit der U-Bahn waren, dauerte die Anfahrt deutlich länger als am Tag zuvor beim Abholen der Startunterlagen. Die U-Bahn-Station war vollgefüllt mit Läufern, überall stauten sich die Menschenmassen, ausreichend Security und Wegweiser waren schon vor Ort. Von der U-Bahnstation Messehalle bis zur Messe ging es eng aneinander, kolonnenweise in Richtung Messe zur Kleiderabgabe. Das Wetter war besser als vorhergesagt, es war trocken, der Wind hielt sich noch einigermaßen in Grenzen. Trotz allem war es zu dieser frühen Stunde noch eisig kalt und ich war heilfroh über meine uralte Fleece-Jacke, die ich in der Wartezeit im Startblock noch tragen konnte und kurz vor dem Startschuss einfach am Rand liegen ließ. Um diesen Tipp meiner Laufkollegin war ich sehr dankbar!

Um mich herum tänzelten nervös tausende von Läufern, schon im Startblock hörte man zig verschiedene Sprachen, man wurde umgeben von guter Laune, Aufregung, Begeisterung und Vorfreude. Pünktlich um 9:00 fiel der Startschuss begleitet von roten und weißen Luftballons, die in Richtung Himmel flogen. Mein Puls war einigermaßen ruhig, ich war lang nicht mehr so nervös wie die Tage vorher und konnte es gar nicht mehr erwarten bis auch mein Startblock über die Startlinie durfte und auf die Reise geschickt wurde. Der obligatorische Griff zur Uhr, die mir mit einem Piepsen signalisierte, dass sie gestartet wurde. Los ging das Abenteuer, ich war bereit und freute mich auf die 42,195 Kilometer.



Die ersten zwei bis drei Kilometer waren mühsam - sie waren geprägt von Schlangenlinien und Slalomläufe, dichtes Getümmel, zu viele Leute. Es brauchte ein bisschen, bis jeder in seinen Rhythmus kam. Ich war von Anfang an mit einer Pace um die 5 Minuten pro Kilometer unterwegs, es lief sehr gut, ich musste mich sogar zügeln, um nicht zu schnell zu laufen. Ich wusste aber, dass noch viele, viele Kilometer vor mir waren! Bloß nicht zu schnell starten und hinten raus dann k.o. sein - davor hatte mich jeder im Vorfeld gewarnt. Die Strecke verlief gleich zu Beginn über die Reeperbahn, ich sah die sündige Meile Hamburgs zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal. Es gab also einiges zum Bestaunen für mich. Mein Blick wanderte von links nach rechts, überall gab es etwas zum Sehen. Überhaupt war die ganze Strecke eine Sightseeing-Tour. Ich bemühte mich, die vielen Eindrücke aufzusaugen, es gab so viel zum Sehen und zum Bestaunen. Das alles lenkte sehr von der Anstrengung ab.



Unvergesslich bleibt für mich jener Teil der Strecke, der entlang des Fischmarkts und den Landungsbrücken an den Hafen verläuft. Die leicht bergab verlaufende Straße bot noch einmal die Möglichkeit richtig an Tempo zuzulegen, um zwischen den links und rechts dicht aneinander gedrängten Menschenmassen, die einem begeistert zujubelten, durchzulaufen. Die Stimmung war ein Wahnsinn, Musik ertönte von allen Seiten. Die Sonne schien und spiegelte sich im Wasser wieder - dieser Anblick rührte mich so, dass mir sogar die Tränen in den Augen standen. Ich lief mit einem breiten Grinsen zwischen den ganzen Leuten durch und versuchte die Stimmung so gut es ging aufzusaugen. Wir befanden uns hier ca. bei Kilometer 12.

Ich wusste, irgendwo unter den Mengen stand mein Freund und wartete mit der Kamera in der Hand auf mich. Mein Blick lief suchend hin und her, mein Grinsen wurde zu einem breiten Lachen als ich ihn gefunden hatte. Ich deutete ihm mit beiden Daumen nach oben, dass es bis jetzt ganz gut läuft.


Ein weiteres Highlight bot die Durchquerung des Wallringtunnels. Es wurde dunkel, die Uhr signalisierte sofort, dass das GPS-Signal weg war. Im Tunnel war eine wahnsinnig tolle Atmosphäre - die Musik, das Licht - es hatte etwas Mystisches. Die Läufer selber klatschten im Takt, die Geräusche schallten und hallten von den Tunnelwänden wieder.

Um Kilometer 20 herum hatte ich das Gefühl, dass die Leistung ein bisschen nachließ und ich nahm ich das erste Gel. Ein Powerbar-Gel mit Cola-Geschmack, bei dem nichts nachgetrunken werden muss. Ich bin begeistert von diesen Gels, die anderen sind mir meist zu süß und ich hab das Gefühl mir klebt im Mund alles zusammen. Ein weiterer Nachteil von den meisten Gels ist, dass ein halber Liter Wasser nachgetrunken werden sollte. Das Gel gab mir einen Energiekick, ich war wieder besser drauf. Bei den Gels bzw. den Powershots von Powerbar, von denen ich auch drei zu mir nahm, galt das gleiche wie beim Frühstück: Nichts, was nicht vorher im Training getestet wurde. Deshalb verzichtete ich auch bewusst auf die bei den Labestationen angebotenen Detrox-Gels und die Iso-Getränke, sondern verwendete eben meine eigenen Gels.



Getrunken habe ich nur Wasser, zum Schluss einmal Cola und bei Kilometer 37 war ich dann froh um die Redbull-Schorle, die mir den letzten Kick bis ins Ziel gab. Ich war positiv überrascht und begeistert von den Labestationen, Wasser gab es alle 2,5 Kilometer, Wasser, Iso und Bananen alle 5 Kilometer. Die Organisation war perfekt.

An Kilometerpunkt 31,5 wartete nochmals mein Freund auf mich. Diesen Tipp kann ich wirklich jedem ans Herz legen: Macht euch mit euren Freunden/Familie ein paar Treffpunkte aus, wo sie auf euch warten, euch fotografieren und anfeuern. Es ist unglaublich motivierend zu wissen, bei Kilometer X wartet wieder jemand auf dich! Man fiebert schon richtig darauf hin und wird dadurch auch gut abgelenkt.



Die Erinnerung an die weiteren rund 10 Kilometer ist leider eher schwammig, nicht mehr ganz so detailliert. Ich war schon etwas müder und ausgelaugt. Zum Glück kann ich sagen, dass der Mann mit dem Hammer, vor dem mich jeder gewarnt hat, einfach nicht gekommen ist. Ich hatte nie einen richtigen Einbruch, war eigentlich immer recht motiviert und hatte einfach unglaublichen Spaß am Laufen.

Die Zuschauer, die wirklich überall entlang der Strecke standen, trugen ihren Teil dazu bei. Mindestens 20 Mal wurde ich sogar mit Namen, der ja auf der Startnummer deutlich sichtbar war, angefeuert, ich klatschte gefühlte hundert Kinderhände ab, zweimal wurde ich sogar mit Konfetti überstreut, Musik und Bands gab es sowieso an allen Ecken. Auch in den "ruhigeren" Gegenden Hamburgs, abseits von den Hotspots, trugen die Menschen einen großen Teil zu der unglaublichen Stimmung bei: Sie grillten in ihren Gärten, picknickten im Gras, saßen auf den Balkonen, spielten Musik aus ihren Wohnungen und jubelten ununterbrochen. Ganz Hamburg war eine reine Party!

Die letzten acht Kilometer hatte ich das Glück auf ein Pärchen um die 45 Jahre zu stoßen. Sie liefen genau mein Tempo und ich hängte mich an sie dran! Dadurch war es mir möglich, noch ein letztes Mal alle Kräfte in mir herauszuholen und auch den Schluss nahezu ohne Probleme zu laufen. Die letzten 2 Kilometer wurde mein Tempo etwas langsamer, meine Füße waren müde und noch dazu setzte der Gegenwind wieder stärker ein. Aber die Freude auf den Zieleinlauf trieb mich auch hier noch weiter an.

Als ich den ersten Fuß auf den roten Teppich setzte, der die letzten Meter vor
dem Ziel auf dem Boden ausgerollt war, überschlugen mich die Gefühle! Ich riss die Hände nach oben, das Grinsen wurde zum breiten Lachen. Links und rechts die jubelnden Menschenmengen, darunter wieder mein Freund, der mit der U-Bahn vom letzten Zuschauerpunkt sofort in den Zielbereich gefahren ist und sich dort sogar einen guten, etwas erhöhten Platz zum Fotografieren sichern konnte.



Als ich die Ziellinie überquerte, waren die Tränen nicht mehr zu stoppen. Tränen aus Stolz über das Erreichte, aus Freude über das Erlebte und aus Erleichterung, es geschafft zu haben. Ich holte mir die heiß ersehnte Finisher-Medaille ab und schaffte es noch zu meinen 2 Pacern auf den letzten Kilometern, um mich in Englisch mit zittriger Stimme bei ihnen zu bedanken. Die Frau war sehr gerührt, packte mich sofort, umarmte mich und war sogar erstaunt, in welcher Zeit ich doch in meinem Alter den Marathon finishen konnte.

Ich war einfach nur unglaublich happy, froh, glücklich und stolz die Uhr bei 3:33:37 stoppen zu können!



Danke Hamburg, für die 42,195 Kilometer lange Party!


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